Dienstag, 24. Juni 2014

Was wirklich passiert. Ihr werdet es nicht glauben. Der Wahlkampfkoordinator aus Sachsen packt aus.

Ein weiterer Tag endet. Es ist früh 04:08 Uhr und 12 von den 14 vergangenen Stunden drehten sich um die Piratenpartei. Meist Wahlkampforga-Details, und auch 4-5h Telefonate mit verschiedenen Piraten. Einer dieser typischen Tage, seit über anderthalb Jahren im Dauerwahlkampf als Koordinator, im Bundestagswahlkampf für Dresden und seither für die 2014er Wahlkämpfe in Sachsen.

Für viele Piraten wird dieser Alltag verwunderlich klingen, den sie zweifeln mehr und mehr an der Piratenpartei und welche Rolle sie selbst dabei spielen. Ich nicht. Keine Sekunde stellt sich mir die Frage nach dem Sinn. Der folgende Beitrag ist mein Versuch zu zeigen, warum ich keinerlei Motivationsprobleme habe und nie haben werde. Es ist auch das erste Mal das ich mich politisch zur Piratenpartei und öffentlich zu einzelnen Piraten äußere.


Kein Richtiges Leben im Falschen

Zunächst vorweg, ich kenne sie, diese Mumble-Sessions voller armseliger Entgleisungen, die Shitstorms auf der Missverstehungsmaschine Twitter und die merkbefreiten Trolle auf den Mailinglisten. Ab und an tauche ich da ein um mich wieder kopfschüttelnd abzuwenden.

Ich begegne allerdings Menschen die sich bereits über Unterhaltungen auf Mumble, Twitter und Mailinglisten persönlich, in ihrer Identität angegriffen fühlen - die ernsthaften Angriffe gegen Einzelne blende ich hier aus, weil das einen eigenen Beitrag bräuchte. Meist sei dann irgend etwas “unpiratiges” passiert. Interessanter Weise habe ich beobachtet, dass diese Angriffe wenn sie mich mal treffen kaum Wirkung entfalten. Vermutlich weil ich nie sagen würde “Ich bin Pirat”, denn im besten Fall bin ich Mitglied dieser Partei.

Eine Überidentifikation mit dieser Organisation käme mir nie in den Sinn. Das ist hier nur ein Verein. Es geht um Politik, Interessen, Ziele, Öffentlichkeitsarbeit, Willensbildung. Eine Familie oder eine Identität daraus zu bilden wäre mir zu gefährlich, für meine Gesundheit. Dann würde zu vieles zu schnell persönlich. Die Möglichkeiten sich zu verletzen wären immens. Zumal wir ja im Großen nur über politische Inhalte und Ideale verbunden sind und uns persönlich kaum kennen, geschweige denn zeitgemäße Werkzeuge oder Methoden haben miteinander zu reden.

Eine so große heterogene Gruppe von Menschen kann nur über gemeinsame Ideale, Visionen, Ziele verbunden werden. Es stellt sich dann sofort die Frage was das genau ist. Auch da habe ich keine Zweifel.


Licht oder Schatten

Die Piraten haben schon immer ein gemeinsames ideelles Dach über alle labelbaren Strömungen hinweg. Es ist der in der Wahlwerbung so nicht vermittelbare Begriff der “gesellschaftlichen Teilhabe” in einem Zeitalter der digitalen Transformation. Da passen praktisch alle aktuellen Themenfelder drunter. Etwa ein ja zu neuen Technologien, welche Kulturgüter barriereärmer zugänglich machen. Die Überwindung von Monopolen aller Art. Abbau sozialer Hürden, die Stärkung der Rechte von Minderheiten, die Erhöhung der Vielfalt in der Gesellschaft. Ebenso der Einsatz für selbstbestimmtes Dasein, im Netz und überall. Es geht darum die Gesellschaft für zukünftige Generationen zu verbessern, den Menschen die Angst vor den globalen Herausforderungen zu nehmen und gemeinsam Lösungen für soziale, gesellschaftliche, kulturelle Probleme zu entwickeln. ...

Die Piraten sind weltweit ein Projekt welches den Mut und Optimismus als Triebfeder nutzt, getreu dem Motto “lieber zu weit, als zurück.” Also genau anders herum als beispielsweise bei den Grünen, die angesichts eines Problems lieber “zurück zur Natur” oder “anders bleiben” wollen. Natürlich hat auch das bewahrende Streben der Grünen seine gesellschaftliche Berechtigung. Aber Piraten bauen nun mal eher ein Raumschiff als dass sie ein System der Selbstbeschränkung errichten würden.

Es geht also bei den Piraten um die Teilhabe in einer offenen Gesellschaft, die sich anstehenden Problemen progressiv und optimistisch zuwendet. Frei von Angst.

Die Piraten sind für mich also eine Partei, die den Menschen vermittelt wofür es sich trotz all der krassen Herausforderungen lohnt zu leben und nicht eine Bewegung die den Menschen angstgeleitet verkündet wogegen man anzukämpfen habe. Licht oder Schatten? Freiheit oder Angst.


Die letzten Monate waren in der internen Diskussion aber voll von angstgetriebenen Debatten und Entscheidungen. Einerseits ging es um den Verlust von vermeintlicher Deutungshoheit. Andererseits brauchte die Frustration aus verlorenen Wahlen bzw. überzogenen eigenen Erwartungen eine Ventil. Es mussten Erklärungen herbei gegatet werden, warum “die anderen” verantwortlich waren, wer auch immer das sei. Dieses Verhalten ist gewöhnlich, keine Überraschung. Wer über Angst einen Antrieb findet, sei es die Angst vor Überwachung, und Angst auch kommunikativ nutzt, benötigt immer den Gegner für das eigene Handeln. Kein Hacker, kein Erfinder, kein Mensch der die Welt mit spielerischer Neugierde erkundet handelt im Normalfall so.

Ich denke aber, es sind eher wenige Menschen innerhalb der Piratenpartei die sich aus allzumenschlichen Gründen ihrer eigenen Angst ausgeliefert haben. Vielleicht fehlt dort nur eine klare, einfache Rückbesinnung um was es hier im politischen Alltag eigentlich geht. Entweder die Angstgelähmten erkennen das für sich und denken ihr Engagement innerhalb der Piratenpartei neu, oder sie werden halt frustriert andere Wege einschlagen. Auf Dauer ist ein angstgeleitetes Handeln welches sich aus einem “dagegen” speist nicht aufrecht zu erhalten. Im besten Fall entwickelt sich dort eine konservative, Besitzstände bewahrende, Identität die sich darauf ausrichtet vermeintliche Freiheiten zu verteidigen. Auch das hat in der Gesellschaft seine Berechtigung. Aber es wäre nicht mehr ein Projekt innerhalb der weltweiten Bewegung der Piratenparteien. In Deutschland gibt es bereits genügend Spieler im politischen System, die die konservativen Rollen ausfüllen.


Wirklich fundamental neu ist nur die Idee einer progressiven, kultur-optimistischen Partei die sich den technologischen Wandel zu nutze macht, also aktuell vor allem die digitale Transformation aller Lebensbereiche. Zugleich tritt sie weltweit als Gegenspieler zu grenzenlos agierenden Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstitutionen auf. Aber eben nicht als empörungsbehaftetes Protestgeheul, sondern sie setzt mit einem hacker-mindset die Agenda und gibt die Spielregeln politisch vor.

Sobald sich die Piraten in Deutschland wieder auf ihre progressiven Wurzeln besinnen und auch imstande sind das auf eine einfache und optimistische Art und Weise zu vermitteln, bauen sie über mehrere Jahre hinweg ein stetiges Momentum auf. Das ist nicht mehr auf Wellen des Protests angewiesen, die bei der nächsten Gelegenheit weiter ziehen. Mit einer Besinnung die vielen verschiedenen Aspekte gesellschaftlicher Teilhabe zu verbessern, wird die aktuelle Identitätskrise überwunden.


Zukunft ist Kopfsache

Piraten im orangenen Anzug
Das wirft im Licht des aBPT sofort die Frage auf, wer die Überwindung der aktuellen Identitätskrise durch Mitgliedschaft im BuVo am besten gestalten kann. Auch da finde ich ist die Antwort eher einfach. Es müssen Menschen sein, die imstande sind auf dieser Ebene geeignet zu führen. Also mit Visionen, Idealen und Zielen. Mutige Menschen, die sich etwas zutrauen. Optimisten die das als eine Art Reise zum Mond begreifen. Bei der ersten Mission war auch nicht klar ob das klappt. Das Durchschnittsalter der Ingenieure der Apollo-Mission war 23 Jahre.

Die Identitätskrise wird von konservativen oder angstgeleiteten Menschen nicht aufgelöst. Sie würde sogar noch verstärkt, weil vereinende Ideale und Visionen nicht entwickelt werden könnten. Es wäre der Weg in die Regression auf alte vermeintlich erfolgreiche Muster aus der Vergangenheit, sekor style.

Für das was der Piratenpartei bevorsteht gibt es keinen Erfolgsrezept und keine Erfahrung aus der man Kompetenz ableiten könnte. Wenn es etwas nützliches gibt, dann die stille, selbstkritische Einsicht in die eigenen Fehlbarkeiten, das Talent eine Welt herbeizuträumen, so wie sie sein soll und das kommunikativ in allen Medienformen zu vermitteln.

Wenn ich mir dann die aktuelle Reihe an BuVo-Kandidaten anschaue und zusätzlich überlege wen ich davon als Repräsentant in der medialen Öffentlichkeit sehe, ist für mich klar, dass es auf jeden Fall Laura Dornheim, Christophe Chan Hin und Florian Andrè Unterburger sind.

Falls die Mitgliederversammlung klug ist, ändert sie die Vorstandszusammensetzung auf den Vorschlag mit 2+x Vorsitzenden und je einem Schatzmeister und GenSek. Dann würden auch einige der konservativen Kandidaten in den Vorstand einbezogen werden, von denen auf Grund ihrer kulturellen und programmatischen Engstirnigkeit allein keine zukunftsgerichteten Impulse ausgehen können.

"Fuck you, this is our culture."

Für den Fall das auf dem aBPT die Angst vor der Zukunft darin mündet, dass man zurück zu den vermeintlich guten und längst vergangenen Zeiten will, ändert das allerdings auch nichts an meiner tief gegründeten Motivation.

Ich bin Basis. Basis sind viele. Mutige, engagierte und progressiv eingestellte Piratenparteimitglieder gibt es überall. Landtagswahlkampf #saxnheip läuft an. Es ist der Versuch eine Wahl zu gewinnen, in jedem Fall Kommunikationsanlass und die Chance im Einsatz auf der Straße neue Mitstreiter zu finden.

Kreative Ideen das politische System zu bedrohnen haben wir mehr als genug. Und während einige Piraten den Menschen Angst vor unbegreifbaren Bedrohungen machen, für die ein Individuum meist keine psychologischen oder technischen Ressourcen zur Bewältigung hat, zeigen wir wie man die Mächtigen bloßstellt, Spass dabei hat und über den Zugang durch eigene Mandatsträger innerhalb des politischen Systems Stück für Stück pragmatisch mitgestaltet.

Auch wenn ich an einigen Programmdetails kaum Interesse habe, das große Ganze habe ich fest im Blick. Für mich ist der Kurs der Piratenpartei klar gesetzt und hat sich nie geändert.

@DaConPP
ein ganz normaler IT’ler



Nachtrag: Auf Grund starker Sonnenwinde ist aktuell das Erdmagnetfeld beeinträchtigt und der *Kompass* spielt verrückt, ist unbrauchbar. Der Kompass postuliert zum Beispiel dem @Fl0range das er “Chaos” im LV Sachsen hinterlassen habe. Fakt ist: der @Fl0range hatte sich 2012 mit seiner Wahl zum LaVor knapp gegenüber dem Netznotar durchgesetzt. Ohne dieses Ereignis gäbe es heute keinen funktionieren LV Sachsen, der bei Wahlen immer relativ besser abschneidet als der Schnitt im Bund. Es hätte auch keinen KV Dresden gegeben, der 4% zur BTW13 eingefahren hat. Er ist nicht unmittelbar für die Erfolge verantwortlich, und schon gar nicht fehlerfrei, aber er hat im entscheidenden Moment Dinge möglich gemacht und Türen geöffnet wo andere niemals hindenken wollten.


Wenn es im LV Sachsen Chaos gibt, dann ist es kreatives Chaos das bereits zu vielen Innovationen und Erfolgen führte. Daneben gibt es noch einige alte Baustellen die in den letzten anderthalb Jahren Dauerwahlkampf einfach liegen geblieben sind. Der LV Sachsen war vor vielen Jahren mal einer der schlechteren LVs. Aus meiner Sicht sind wir hier erheblich besser geworden, haben aber noch viel zu tun. Rechnet mit uns, aber seid nicht überrascht wenn alles anders kommt als ihr erwartet.